Eine Zukunft ohne PFAS? Zwischen Regulierung & Innovation.
Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen [PFAS] sind synthetische Stoffe, die in der Industrie und in Konsumgütern aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften weit verbreitet sind. Sie zeichnen sich durch ihre hohe Beständigkeit gegenüber Hitze, Wasser und Fett aus. Doch genau diese Beständigkeit macht PFAS auch zu einem Umweltproblem: Sie sind extrem persistent und schwer abbaubar. Deshalb werden sie häufig als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet.
Aktuelle Diskussionen und regulatorische Entwicklungen#
Beim Branchengipfel der Chemie- und Pharmaunternehmen, der Mitte September in Berlin stattfand, sprach Olaf Scholz sich gegen ein Totalverbot von PFAS in der EU aus. Obwohl dies kurzfristig für die Industrie von Bedeutung ist, steht eine endgültige Lösung noch aus.
Die ECHA-Ausschüsse für Risikobewertung [RAC] und für sozioökonomische Analyse [SEAC] kamen derweilen in ihren Septembersitzungen zu vorläufigen Schlussfolgerungen über die vorgeschlagene Beschränkung von PFAS im Erdöl- und Bergbausektor.
Die Diskussionen über die beiden anderen Sektoren – Textilien, Polster, Leder, Bekleidung und Teppiche [TULAC] sowie Lebensmittelkontaktmaterialien und -verpackungen – werden in den nächsten Sitzungen im November fortgesetzt.
Der RAC kam überein, die Berechnung der PFAS-Emissionen in verschiedenen Sektoren zu überarbeiten, wobei der Schwerpunkt auf der Abfallphase liegt, z. B. Emissionen aus der Abfallentsorgung und -verbrennung. Der überarbeitete Ansatz betont die Notwendigkeit, zwischen PFAS-Partikelemissionen [fest] und solchen, die aus Materialien auslaugen, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist wichtig, da sich die Bedenken im Zusammenhang mit Fluorpolymerpartikeln von denen im Zusammenhang mit nichtpolymeren PFAS unterscheiden.
Wir haben für Sie eine Zusammenfassung der PFAS-Diskussion aus dem Protokoll der Septembersitzung erstellt. Weitere Informationen und aktuelle Entwicklungen zum PFAS-Beschränkungsverfahren finden sich auf der PFAS-Themenseite der ECHA oder im monatlichen Newsletter der Fluoropolymer Product Group von Plastics Europe.
Engpässe und fehlende Alternativen#
Durch die Schließung der Fluorpolymer-Produktion von 3M/Dyneon und Solvay fallen in Europa in kürzester Zeit mehr als 50 Prozent der Fertigungskapazitäten für Fluorpolymere weg. Kunststoffe und Elastomere auf Basis von Fluorpolymeren in der chemischen Industrie betreffen Sie und uns.
Es gibt derzeit keine erprobten Alternativen zu PTFE. PFAS freies PTFE ist nicht möglich. Alternative Kunststoffe funktionieren für viele Anwendungen nicht.
Arbeitskreis Technische Kunststoffe#
In 2023 haben wir den Arbeitskreis Technische Kunststoffe in der Chemischen Industrie gegründet. Dort entwickeln wir gemeinsam mit Vertretern und Vertreterinnen der chemischen Industrie Lösungen. Zu Verfügbarkeitsengpässen, zu alternativen Materialien, zur effizienten Materialtestung oder Freigabe Szenarien neuer Werkstoffe.
Im Rahmen unserer Arbeit konnten wir die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin [BAuA] im April 2024 für einen PFAS-Dialog gewinnen und entscheidende Impulse setzen. Ziel war es, der BAuA zu ermöglichen, die Konsequenzen einer universellen PFAS-Beschränkung besser zu verstehen und praktikable Lösungen für die Industrie zu finden.
Darüber hinaus führt der Arbeitskreis Versuche mit etwa 20 alternativen Materialien zu TFM 1600 für den Einsatz in statischen und dynamischen Anwendungen durch. Erste Ergebnisse zeigen, dass bei statischen Anwendungen die Prüfungen nach DIN EN 13555 kaum Unterschiede in der Materialleistung zeigen. Bei dynamischen Anwendungen jedoch erhebliche Unterschiede deutlich werden, die weitere Untersuchungen notwendig machen.
Veranstaltungen und Wissenstransfer#
Über die Test-Ergebnisse aus den Versuchsreihen des AK-Kunststoffe und aktuelle Erkenntnisse zum Thema PFAS spricht Jörg Skoda, Leiter Anwendungstechnik bei IDT, Mitte November in einem Podcast mit der Industriearmaturen und Dichtungstechnik.
Auf unserem Symposium, das am 19. November in Frankfurt stattfindet, referieren Dr. Michael Schlipf, Vorstand von pro-K, und Martin Säckl von Daikin aus unterschiedlichen Perspektiven zur PFAS-Problematik.
Aktuelles zum Beschränkungsverfahren
Zusammenfassung der PFAS-Diskussion aus dem Protokoll der September Sitzung, Seiten 15-18.
Im September-Meeting des Ausschusses für Risikobewertung [RAC] wurden verschiedene Sektoren im Zusammenhang mit der Beschränkung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen [PFAS] besprochen. Im Fokus standen:
- Abfallemissionen und Abfallbehandlung
- Textilien, Polsterungen, Leder, Bekleidung und Teppiche [TULAC]
- Lebensmittelkontaktmaterialien und Verpackungen
- Erdöl und Bergbau
Erkenntnisse aus den Diskussionen#
- Emissionen und Abfallbehandlung
- Fluorpolymere emittieren sowohl Partikel als auch nicht-polymere PFAS während ihres Lebenszyklus, insbesondere bei der Verarbeitung und Verbrennung. Es ist wichtig, zwischen Partikelemissionen und auslaugenden Stoffen zu unterscheiden, da die damit verbundenen Risiken unterschiedlich sind.
- Verbrennung bei hohen Temperaturen [über 1100 °C] gilt als die effektivste Methode zur Zerstörung von PFAS, während niedrigere Temperaturen zur Bildung von stabileren, kurzkettigen PFAS führen können.
- Die Deponierung wird als erhebliche Quelle für PFAS-Emissionen in die Umwelt betrachtet. Es wurde ein konservativer Emissionsfaktor für die Freisetzung aus Deponien festgelegt.
- Textilien, Polster, Leder, Bekleidung und Teppiche [TULAC]
- Die Bewertungen der Emissionen und möglichen Alternativen sind weitgehend abgeschlossen, wobei noch spezifische Fragen zu Schutzausrüstung geklärt werden müssen.
- Lebensmittelkontaktmaterialien und Verpackungen
- Vorläufige Einigungen wurden in Bezug auf Volumina, Emissionen und Risiken der Alternativen getroffen, jedoch wird weiter an Detailfragen gearbeitet.
- Erdöl und Bergbau
- Einige Alternativen für PFAS, z.B. in Schaumverhütungsmitteln, werden als sicherer angesehen, während andere erhebliche Risiken aufweisen. Die vorgeschlagenen Alternativen für Öl- und Gas-Tracer haben ähnliche oder sogar schwerwiegendere Gefahrenprofile.
Nächste Schritte#
Eine überarbeitete Stellungnahme des RAC wird vorbereitet, die auf den erhaltenen Kommentaren und Diskussionen basiert.
- Weitere Sektor-spezifische Analysen und Diskussionen sind für die nächsten Sitzungen vorgesehen, insbesondere zu den Bereichen Textilien, Lebensmittelkontaktmaterialien, Verpackungen und Bauprodukte.
- Spezifische Risikominderungsmaßnahmen [RMMs] werden weiterentwickelt, insbesondere in Bezug auf die Emissionen in der Erdöl- und Bergbauindustrie.
Weitere Sektoren#
- Bauprodukte [noch nicht abschließend diskutiert]
- Fluorierte Gase
- Transport und Energie
Involvierte Parteien#
Neben den Dossier-Einreichern aus Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden waren zahlreiche Interessengruppen aus verschiedenen Industrien und NGOs beteiligt, darunter PlasticsEurope, ClientEarth, CONCAWE, EFPIA, MedTech, Weitere Vertreter der Textil-, Chemie-, Energie- und Lebensmittelverpackungsindustrien
Die Zusammenfassung des Protokolls wurde mit KI generiert.
Zeitplan#
Die nächste Sitzung des RAC ist für November 2024 geplant. In diesem Meeting sollen die Diskussionen zu Textilien, Lebensmittelkontaktmaterialien, Verpackungen und Bauprodukten fortgesetzt werden. Es wird erwartet, dass in den nachfolgenden Plenarsitzungen, die nach November stattfinden, spezifische Informationen zu fluorierten Gasen, Transport und Energie besprochen werden.
Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Bewertung und die bevorstehenden Pläne der Ausschüsse zur Bewertung der potenziellen Auswirkungen der Beschränkung in verschiedenen Sektoren, die PFAS verwenden.
Die in den Sitzungen des RAC und des SEAC vereinbarten Schlussfolgerungen sind vorläufig, bis die Ausschüsse die Bewertung des gesamten Beschränkungsvorschlags [einschließlich aller Anwendungsbereiche] abgeschlossen und ihre Stellungnahmen angenommen haben. Diese Stellungnahmen werden dann der Öffentlichkeit bekannt gegeben.
Die endgültige Entscheidung über die Beschränkung wird von der Europäischen Kommission zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten getroffen.
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Erdöl und BergbauRAC & SEAC:
- Diskussion: September 2024
- Vorläufige Schlussfolgerungen: September 2024
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Textilien, Polstermöbel, Leder, Bekleidung, Teppiche [TULAC]RAC & SEAC:
- Diskussion: September 2024, November 2024
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Materialien mit Lebensmittelkontakt und VerpackungenRAC & SEAC:
- Diskussion: September 2024, November 2024
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BauprodukteRAC & SEAC:
- Diskussion: geplant für November 2024
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Anwendungen von fluorierten GasenRAC & SEAC:
- Diskussion: geplant für die nächsten Sitzungen im Jahr 2025
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TransportRAC & SEAC:
- Diskussion: geplant für die nächsten Sitzungen im Jahr 2025
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EnergieRAC & SEAC:
- Diskussion: geplant für die nächsten Sitzungen im Jahr 2025
Ressourcen#
Studie zur Mineralisierung von Fluorpolymeren aus Verbrennung#
In einer aktuellen Studie, veröffentlicht im Chemosphere Journal [Vol. 365, 2024], wurden die Auswirkungen der Verbrennung von Fluorpolymeren in Müllverbrennungsanlagen untersucht. Die Studie beleuchtet die Effizienz der Verbrennung und das Potenzial zur Freisetzung von PFAS während des Verbrennungsprozesses.
Zur Bewertung des Verbrennungsverhaltens von Fluorpolymeren wurden die Versuche vom 27. Februar bis 4. März 2023 in der Kraftwerkspilotbrennkammer [BRENDA] des Instituts für Technische Chemie [ITC] am Karlsruher Institut für Technologie [KIT] durchgeführt.
Eine gemischte Probe von Polymeren, die 80 % der kommerziellen Fluorpolymere repräsentieren, wurde unter Bedingungen zersetzt, die für kommunale [860 °C für 2s] und industrielle [1095 °C für 2s] Abfallverbrennungsanlagen in der EU repräsentativ sind. Zur Identifizierung und Quantifizierung von PFAS [35 langkettige PFAS, TFA, 5 C1–C3 PFAS], für die Standards verfügbar waren, wurden modernste Emissionsprobenahme- und Analysemethoden [UPLC-MS/MS, GC-MS] eingesetzt.
Wichtige Erkenntnisse der Studie
Effektive Zerstörung von Fluorpolymeren
Die Untersuchung zeigt, dass Fluorpolymere bei Verbrennungstemperaturen von 860 °C bis 1095 °C nahezu vollständig mineralisiert werden. Der Zerstörungsgrad [R2PIC] lag bei mehr als 99,99 %, was bedeutet, dass kaum unverbrannte Rückstände oder toxische Nebenprodukte entstehen.
Geringe PFAS-Emissionen
Während der Verbrennung wurden nur sehr geringe Mengen an langkettigen PFAS wie PFOA nachgewiesen. Diese könnten auf externe Kontamination zurückzuführen sein, da keine Anzeichen für die Bildung dieser Verbindungen während der Verbrennung gefunden wurden. Kurzkettige PFAS wie Trifluoressigsäure [TFA] wurden ebenfalls nicht freigesetzt.
Temperaturunterschiede
Die Ergebnisse zeigten, dass die Verbrennungstemperatur keinen signifikanten Einfluss auf die vollständige Zerstörung von Fluorpolymeren hatte. Sowohl bei 860 °C als auch bei 1095 °C konnten ähnliche Mineralisierungsraten erreicht werden.
Fluor-Wiederfindungsrate
Etwa 70–80 % des während der Verbrennung freigesetzten Fluors wurde in Form von Wasserstofffluorid [HF] gemessen, was auf eine effiziente Mineralisierung der Fluorpolymere hinweist. Es gab keine Hinweise auf die Bildung schädlicher fluorierter Nebenprodukte in relevanten Mengen.
Die Zusammenfassung der wichtigen Erkenntnisse wurde mit KI generiert.
Studie über den Einsatz von polymeren PFAS in harschen Umgebungen #
„Replacement of polymeric PFAS in industrial applications with harsh environments“ ist eine aktuelle Studie des Fraunhofer IWM über den Einsatz polymerer PFAS in harschen Umgebungen, die im Auftrag von Freudenberg Sealing Solutions erstellt wurde. Die Autoren kommen zu der Erkenntnis, dass der Ersatz von Fluorpolymeren in vielen industriellen Anwendungen eine große Herausforderung darstellt. Besonders in Bereichen wie Trockengasdichtungen und hydraulischen Dichtungen sowie in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie sind Fluorpolymere aufgrund ihrer herausragenden Beständigkeit gegen Chemikalien, extreme Temperaturen und mechanische Belastungen unverzichtbar. Die Studie untersucht unter anderem die Verwendung von PFAS in Kompressor-Trockengasdichtungen, wo alternative Materialien bisher nicht dieselbe Zuverlässigkeit bieten können. Ebenso kritisch ist die Situation bei Motordichtungen und Getriebedichtungen, wo Fluorpolymere aufgrund ihrer hervorragenden tribologischen Eigenschaften weiterhin dominieren.
Obwohl verschiedene Alternativen wie Silikone und thermoplastische Elastomere untersucht werden, fehlt es bislang an Langzeitstudien, die ihre Leistung unter rauen Bedingungen bestätigen. Die Verlässlichkeit der Erkenntnisse wird gestützt durch Experteninterviews und wissenschaftliche Literatur, weist jedoch auf den Bedarf weiterer Forschung hin, insbesondere hinsichtlich der Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit neuer Materialien.
Die komplette Studie kann nach Registrierung auf der Webseite von Freudenberg Sealing Solutions heruntergeladen werden.
Die Zusammenfassung der 49-seitigen Studie wurde mit KI generiert.
Safer Chemicals Podcast#
Der Safer Chemicals Podcast der ECHA beleuchtet und erläutert das Beschränkungsverfahren und die PFAS-Problematik bereits seit 2020.
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ECHA committees discuss PFAS restriction and hazards of TalcSeptember 2024, Podcast anhören
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Restricting PFAS in the EU: next sectors to be evaluated by ECHA's committeesJuni 2024, Podcast anhören
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PFAS restriction sectoral approach: Risk Assessment and Socio-Economic Analysis Committee highlightsMärz 2024, Podcast anhören
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Unpacking 5.600 comments on PFAS restriction: Risk Assessment and Socio-Economic Analysis Committee highlightsDezember 2023, Podcast anhören
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ECHA's committees in focus: Tim Bowner reflects on 11 years as Chair, PFAS restrictions, and future outlookJuni 2023, Podcast anhören
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Risk Assessment Committee backs PFAS ban in firefighting foamsMärz 2023, Podcast anhören
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Protection our drinking water and food – EU restriction of PFAS in firefighting foamsFebruar 2022, Podcast anhören
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How is the EU making sure PFAS chemicals don't stick around?April 2020, Podcast anhören
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Broschüre | EN | Letzte Änderung 2024-10-07 | 3,2 MB
Report | EN | Letzte Änderung 2024-10-07 | 368,21 KB